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Auf Bobfahrt mit der Nationalmannschaft: Vorbereitung, Schnelligkeit und notwendige Sicherheit

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Demonerosso

20 Dezember 2025

8 min

Die Dainese-Gruppe an der Seite der Azzurri mit AGV-Helmen für Abfahrten bei über 130 km/h. Wir haben die Mitglieder des italienischen Teams interviewt, um herauszufinden, was es bedeutet, in einer der weniger bekannten Wintersportarten anzutreten.

Seit 2023 unterstützt die Dainese-Gruppe die italienische Bob-Nationalmannschaft bei ihrem Streben nach immer mehr Sicherheit. Dazu stattet sie die Sportlerinnen und Sportler mit Motorrad-Integralhelmen von AGV aus, die unerlässlich sind, um die steigenden Geschwindigkeiten auf den Pisten zu bewältigen, die regelmäßig weit über 100 Kilometer pro Stunde erreichen. Doch nicht nur die Suche nach einem besseren und wirksameren Schutz steht im Fokus, sondern auch die Optimierung der Leistung unter allen Gesichtspunkten: Motorradhelme zeichnen sich mehr als andere Helme durch eine effiziente Aerodynamik und ein großes Sichtfeld aus.

Bobfahren ist seit 1924 olympische Sportart, doch auch aufgrund der geringen Anzahl an vorhandenen Bahnen – in Italien derzeit nur eine – ist der Bobsport nur wenig verbreitet. Umso faszinierender ist es deshalb, diese Sportart zu entdecken und kennenzulernen.

Wir hatten die Gelegenheit, uns mit drei Mitgliedern der italienischen Nationalmannschaft zu unterhalten: mit dem Trainer Giovanni Mulassano, der Monobob- und Zweierbobfahrerin Giada Andreutti und mit Lorenzo Bilotti, Bremser im Viererbob der Herren. Wir haben uns von ihnen die Grundlagen dieses Sports erklären lassen, um zu verstehen, mit welchen Herausforderungen und Tücken die Athletinnen und Athleten konfrontiert sind und welche Leistungen, Fähigkeiten und Vorbereitungen erforderlich sind, um auf höchstem Niveau zu bestehen.

 

Auf die erste Frage antwortet Giovanni Mulassano, der dank seiner zehnjährigen Erfahrung zunächst als Sportler und dann als Trainer über einen umfassenden Überblick verfügt: Wie funktioniert der Bobsport?

Beginnen wir mit den Mannschaftsmitgliedern: einer im Monobob, zwei im Zweierbob, vier im Viererbob der Herren. Der Bob startet aus dem Stand, es gibt einen ersten Abschnitt von 15 Metern ohne Zeitmessung vor der ersten Lichtschranke, in dem man anschiebt. Dann gibt es den Nullpunkt und eine ganze Reihe von Lichtschranken, um Zwischenzeiten und Geschwindigkeit zu erfassen.

Das Ziel der Mannschaft ist es, aus dem Stand mit maximaler Beschleunigung zu starten, weshalb die Athletinnen und Athleten über eine hohe Explosivkraft verfügen müssen. Dann gibt es die Phase des Gleitens, in der allein der Pilot die Steuerung übernimmt – mit einem Lenker, der die vorderen Kufen bewegt.

Der Rest ist schnell erklärt: Wer die Abfahrt in der kürzesten Zeit schafft, gewinnt. Die Rennen bestehen in der Regel aus zwei Läufen, wobei die Zeiten addiert werden. Sehr wichtige Rennen, wie bei den Olympischen Spiele oder den Weltmeisterschaften, werden über vier Läufe ausgetragen.

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Wir fragen Lorenzo: Welche Rollen gibt es innerhalb der Mannschaft?

Am Anfang schieben alle an. Dann gibt es den Piloten, im Monobob ist er allein. Im Zweier- und Viererbob

 heißen die hinteren Fahrer Bremser. Im Viererbob sind der zweite und dritte Mann tendenziell schwerer, besitzen eine höhere Explosivkraft und sind in der Lage, schnell hohe Geschwindigkeiten zu erreichen. Während der Abfahrt haben sie keine spezifische Funktion, doch die Position, die sie einnehmen, ist wichtig, um die Aerodynamik zu optimieren.

  

Jetzt eine Frage an Giada, Pilotin: Was macht den Bob einzigartig?

Aus Sicht der Pilotin oder des Piloten ist der physische und mentale Kontrast zwischen Schieben und Lenken interessant, da diese Momente sehr unterschiedliche Anforderungen stellen. Sobald der Moment der puren Kraft vorbei ist, müssen wir uns neu ausrichten, entspannen und ruhig und präzise fahren, denn jede kleine Erschütterung kann zu Fahrfehlern und damit zu Zeitverlust führen.

Wie im Motorsport spielen Geschwindigkeit und damit Adrenalin eine wichtige Rolle. Hier gibt es allerdings keinen Motor, und das macht es meiner Meinung nach noch faszinierender. Der Bob ist ein Fahrzeug, das allein durch menschliche Kraft „in Bewegung gesetzt“ werden muss. Man denke nur daran, dass ein Viererbob voll beladen 630 kg erreichen kann, während wir Frauen einen 163 kg schweren Monobob alleine schieben müssen.

 

Giovanni, was ist der häufigste Irrtum von Leuten, die sich ein Bobrennen anschauen, ohne sich damit auszukennen?

Viele halten das Bobfahren für einfacher, als es tatsächlich ist. Sie denken, dass die Laufbahn feststeht, und dass man, sobald man an Bord ist, nichts mehr tun muss. Stattdessen ist das Steuern sehr wichtig, um schnell zu sein. Auch das Anschieben am Beginn ist nicht zu unterschätzen, wenn man ein hervorragendes Niveau erreichen will. Es ist wie beim Motorradfahren auf der Rennstrecke. Das bloße Fahren ist im Grunde genommen einfach, es auf einem hohen Niveau zu tun, ist etwas ganz anderes.

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Lorenzo, wovon hängt eine gute Abfahrt ab?

Die wichtigsten Elemente sind, wie bereits erwähnt, der Start, also die perfekte Zusammenarbeit beim Schieben und die athletische Vorbereitung. Sehr wichtig sind auch die Fähigkeit, richtig in den Bob einzusteigen, und die beim Schieben erreichte Geschwindigkeit zu halten. Wenn der Rückstand am Anfang zu groß ist, ist es sehr schwierig, ihn aufzuholen.  Bei einer Zeit von etwa 1 Minute geht es bei den Unterschieden zwischen den besten Mannschaften am Ende um wenige Hundertstelsekunden, höchstens Zehntelsekunden.

Dann gibt es noch die Abfahrt selbst, die von den Materialien und dem Fahrverhalten abhängt. Früher lag der Schwerpunkt des Sports ganz klar auf dem Fahren, dann gab es eine technische Weiterentwicklung der Materialien und die Bahnen wurden sicherer gemacht. Nun bleibt der Bob auch bei extremen Bedingungen auf den Kufen – der Bob als Sportgerät hat also an Bedeutung gewonnen. Bei Fehlern verliert man allerdings eindeutig an Geschwindigkeit, das Fahrverhalten bleibt also ausgesprochen wichtig.

Giada gibt uns die Sichtweise der Pilotin wieder: Entscheidend sind auch ein richtiges mentales Training, die Visualisierung der Strecke und die Analyse der Kurven. Dann muss man bedenken, dass sich das Eis je nach Wetterlage von einem Tag auf den anderen ändern kann. Dieser Aspekt muss berücksichtigt und die Fahrweise entsprechend angepasst werden.

 

Wir stellen eine weitere Frage an Giada: Welche Steuerelemente gibt es im Bob? Über wie viel Kontrolle verfügt die Mannschaft tatsächlich?

Es gibt zwei Lenkgriffe, welche die vorderen Kufen bewegen und damit die Richtung vorgeben. Die hinteren Kufen sind dagegen fest. Man zieht den rechten Griff, um nach rechts zu lenken, und umgekehrt. Die Kraft, die wir aufwenden, bestimmt, wie stark wir lenken.

Giovanni, wie trainiert ihr?

Der Bobsport ist eine ziemlich komplizierte Disziplin. Das Grundtraining ist eine Mischung aus Leichtathletik-Sprinttraining und Gewichtheben. Die Kunst besteht darin, das richtige Gleichgewicht zwischen beiden zu finden. Darüber hinaus muss uns die Vorbereitung, die wir im Sommer leisten, zu einer Topform verhelfen, die den gesamten Winter lang anhält.

Sprechen wir nun ein wenig über ein Thema, das uns bei Dainese sehr am Herzen liegt: Bekleidung und Schutz. Was tragt ihr im Bob und wie erfolgt das Ankleiden?

Wir haben einen Anzug, der von den Handgelenken bis zu den Knöcheln alles bedeckt. Er besteht aus einem technischen Material, das uns warm hält, aber vor allem die Aerodynamik unterstützt. Jeder Sportler hat sein eigenes Bekleidungsritual, aber in der Regel trägt man ein Thermoshirt und eine Sicherheitsjacke aus Kevlar, die bei einem Überschlag vor Abschürfungen und Schnittverletzungen schützt. Dies ist erst seit zwei Saisons Pflicht. 

Dann ist da der Helm, immer wichtiger. Die Geschwindigkeiten sind in den letzten Jahren leicht gestiegen: In Whistler, Kanada, wurden 158 Kilometer pro Stunde erreicht, auch wenn dies die einzige Strecke mit solchen Geschwindigkeiten ist; in Cortina kann man trotzdem bis zu 130 km/h erreichen. Ein Integralhelm ist Pflicht, fast immer nutzen wir einen Motorradhelm, da dieser ein optimales Sichtfeld bietet. Für den Fahrer ist außerdem die Wahl des Visiers entscheidend: hell oder dunkel. Außerdem benötigt man ein Pinlock-Visier, um ein Beschlagen zu vermeiden. Die Aerodynamik des Motorradhelms ist ebenfalls ein wichtiges Element, insbesondere für den Piloten, der vorne sitzt und am meisten exponiert ist.

Dann gibt es noch die Schuhe mit Spikes, die von der Form her Leichtathletikschuhen ähneln. Im Zehenbereich gibt es aber 150 3-mm-große Spikes, die sich in das Eis bohren, damit man beim Anschieben den richtigen Halt hat.

 

Was sind die größten Risiken während der Abfahrt?

In Kurven treten sehr hohe Belastungen auf, wobei die Druckbelastung sogar 5G erreicht. Dann kann es immer passieren, dass man sich überschlägt, und wenn man einen Fehler macht, hat man weder Gas noch Bremse, um das zu korrigieren. Auf einem Motorrad kann man fahren, bremsen und anhalten oder rutschen und nach wenigen Metern zum Stehen kommen. Uns kann es passieren, dass wir die gesamte Strecke unter dem Bob zurücklegen. In diesem Fall können die Kevlarjacke und der Helm vor Verletzungen und Abschürfungen schützen. Außerdem ist zu bedenken, dass der Helm selbst unter normalen Bedingungen häufig gegen die Verkleidung des Bobs schlägt.

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Aus welchen Sportarten kommen Neueinsteiger in der Regel?

Sie kommen häufig aus der Leichtathletik, vor allem aus dem Sprint, oder auch aus Sportarten wie Werfen, Springen und Gewichtheben.

Was ist die faszinierendste Bobbahn der Welt?

Cortina ist für uns die Faszinierendste. Auch sehr schön ist die von Sankt Moritz, die nur aus Eis gebaut ist und jedes Jahr von Grund auf neu errichtet wird.

 

Bobfahren ist nach wie vor eine Nischensportart, aber was von den Athleten verlangt wird, ist alles andere als wenig. Hinter jeder Abfahrt stehen Vorbereitung, Materialien und technische Entscheidungen, die ausschlaggebend sind. Wie bei allen Geschwindigkeitssportarten ist auch hier der Schutzaspekt von entscheidender Bedeutung, damit sich die Athleten sicher fühlen und ihre beste Leistung erbringen können. Denn um Spitzenleistungen zu erzielen, muss man auf der Strecke sein Bestes geben – und wie auch beim Motorradfahren gilt: „Es zu tun ist im Grunde genommen ziemlich einfach, aber es auf hohem Niveau zu tun, ist eine ganz andere Sache.“