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Der Montello auf dem Motorrad: Geschichte und Stille in den Wäldern des Piave

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Luigi Fasolato

16 Juni 2025

7 min

Allein mit dem Motorrad über Asphalt und leichtes Gelände, auf den Spuren von Bauten und Überresten aus dem Ersten Weltkrieg

motorcycleMotorrad: KTM 890 Adventure R

mileageKilometer: 100 km

difficultySchwierigkeit: niedrig, einfache Schotterwege, die auch für Offroad-Neulinge geeignet sind

durationDauer: 1 Tag

peri_od_of_the_yearJahreszeit: März

weatherWetter:  wechselhaft aber trocken

temperaturesTemperaturen: 5 °C - 18 °C

essential_equipmentErforderliche Ausrüstung:  Adventure-Anzug mit mehreren Schichten für Temperaturschwankungen, Adventure-Helm und Stiefel

Luigi Fasolato

Luigi Fasolato

Der Autor

Ich bin leidenschaftlicher Motorradfahrer und liebe Abenteuer und Offroad-Touren mit meiner KTM 890 Adventure. Als FMI-Ausbilder für Offroad-Fahrtechniken arbeite ich hauptberuflich in der Planung und Durchführung von Motorradtouren auf der ganzen Welt mit dem Marco Polo Team. Ich habe bereits zahlreiche Raids in verschiedenen Teilen der Welt unternommen und verbinde dabei meine Leidenschaft für Motorräder mit Werbe- und Fundraising-Aktionen vor Ort. Dazu habe ich das humanitäre Projekt In Moto con l’Africa ins Leben gerufen, das ich auch leite. 

Es gibt Tage, an denen man nicht halb Italien durchqueren muss, um sich woanders zu fühlen. Es genügt, sich  auf das Motorrad zu schwingen, das Fahrzeug gen Nordosten zu richten und in die kühlen Schatten des Montello einzutauchen – ein ungewöhnlicher Hügel voller Geheimnisse, der sich plötzlich wie eine grüne Insel in einem Meer von Weinbergen über die Ebene von Treviso erhebt. 

Für alle Fans der Maxi-Enduro und des leichten Offroad-Fahrens ist der Montello eine Fundgrube voller Überraschungen. Sanfte Kurven, unbefestigte Straßen, die unsere Reifen kitzeln, eine tiefe Stille und eine Vergangenheit, die man immer noch unter der Haut spürt – wenn man denn bereit ist, zuzuhören. 

 

Ein einziger, aber intensiver Tag: Der Montello zieht in den Bann 

Für meine Motorradtour auf dem Montello starte ich in Nervesa della Battaglia, ein Name, der schon auf die Atmosphäre vorbereitet. Hier hat der Krieg Schützengräben und Narben hinterlassen, die das Land und die Erinnerung bis heute prägen. Das Motorrad brummt gemächlich die Hauptstraße entlang, doch ich weiß bereits, dass ich heute nicht nur dem Asphalt folgen werde. 

Ich halte einen Moment vor dem Kriegerdenkmal inne, beeindruckend und streng, umgeben von Zypressen und Stille. Ich nehme meinen Helm ab: Ich mache das immer, wenn ich hier vorbeikomme. Es ist eine instinktive Geste des Respekts.  Ich denke an die jungen Männer, die hier oben 1918 gekämpft haben, im Schlamm und unter Maschinengewehrfeuer.  

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Auf dem Bergrücken: Kurven, Ruhe und üppiges Grün 

Ich fahre die Panoramastraße hinauf, den berühmten Bergrücken des Montello. Ein Asphaltstreifen, der den gesamten Kamm des Hügels entlangläuft und den dichten, fast geheimnisvollen Wald in zwei Hälften teilt. Es  herrscht kein Verkehr, die Kurven sind breit, der Untergrund ist gut: Die Maxi-Enduro gleitet dahin wie in einem Traum. 

Hier fährt man mit einem Lächeln im Gesicht. Hin und wieder öffnet sich zwischen den Kurven der Blick auf die Ebene: Man sieht Treviso, den glitzernden Piave und mit etwas Glück in der Ferne schemenhaft die Dolomiten. Aber nicht nur die Aussicht ist beeindruckend: Der Duft von Harz, feuchter Erde und Moos begleitet uns überall. 

  

Prese“ und Pfade: das Königreich der Maxi-Enduros 

 Der Montello wird von 20 nummerierten Straßen durchquert,Prese“ genannt. Einige von ihnen sind asphaltiert, andere unbefestigt – und manchmal praktisch von der Vegetation überwuchert. Und hier beginnt der Spaß. Ich nehme die Presa XV und fahre in den Wald. Diese unbefestigte Straße ist perfekt: kompakt, mit ein paar Steinen hier und da, aber nicht zu anspruchsvoll. Die Aufhängungen arbeiten, die Reifen greifen gut und ich  atme schwer in meinem Helm. Ich erreiche die Grotta del Tavaran Grando, eine natürliche Höhle, die sich im Herzen des Waldes wie ein Tor zu einer anderen Welt öffnet. Ich schalte den Motor aus, parke das Motorrad am Straßenrand und laufe den Weg entlang durch die Vegetation. Hier haben italienische Soldaten während des Ersten Weltkriegs Zuflucht gesucht, und hier hat der Krieg tiefe Spuren hinterlassen.  

Die Atmosphäre ist unwirklich: Unter dem Felsgewölbe scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Ich halte einen Moment inne, um der Stille zu lauschen. Keine Menschenseele weit und breit, nur das Rascheln der Bäume, der Atem des Waldes und ein leises Zwitschern in der Ferne. Ich gehe zu Fuß weiter, bis ich auf eine Abzweigung stoße, die durch ein altes ausgeblichenes Schild ausgewiesen wird: „Sentiero dei Bunker“, Bunkerpfad. Es ist ein wenig benutzter Weg, versteckt zwischen Farnen und Wurzeln. 

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Ich laufe ein paar Minuten mit dem Helm in der Hand und sehe erste Konstruktionen aus Beton zwischen den Bäumen: Laufgraben, Geschützstellungen und in die Erde gegrabene Schutzbauten. Viele werden inzwischen fast von der Vegetation verschluckt, aber die Atmosphäre ist immer noch dicht und intensiv. Ich habe das Gefühl, Stimmen zu hören, geflüsterte Befehle, schnelle Schritte im Schlamm und das ferne Echo  einer Zeit, die hier, zwischen diesen Bäumen, nie wirklich vergangen ist. 

 

Wilde, fast unberührte Natur 

Das Schöne an einer Motorradtour auf dem Montello ist auch das: Sie entführt einen aus Zeit und Raum. Obwohl man sich in der Nähe einer städtischen Agglomeration befindet, fühlt man sich, sobald man hinauffährt, wie in einer anderen Welt. Der Wald lebt: Es gibt Damhirsche, Wildschweine, Dachse, sogar Füchse. An einigen Stellen, insbesondere zwischen der Presa XII und Presa XVI, schließt sich die Vegetation wie ein grüner Tunnel über die Besucher. Die Sonnenstrahlen dringen sanft durch das Geäst, das  Licht verändert sich, es fühlt sich an, als würde man durch einen verwunschenen Wald fahren. Ich liebe diese Momente. Das Motorrad  bewegt sich langsam, mein Herz schlägt ruhiger und ich fühle mich ganz klein – und doch wie ein Teil von allem. 

 

Essenspause: der authentische Geschmack der Erde 

Als es Zeit wird und mein Magen anfängt zu knurren, verlasse ich den Wald und fahre die Presa Cesare Battisti hinunter, eine der eindrucksvollsten Straßen des Montello. Hier, umgeben von Feldern, Weinbergen und alten Bauernhäusern, befindet sich ein rustikaler Agriturismo, den ich gut kenne. Es gibt kein Schild, keine Speisekarte: nur eine Veranda, Holztische und Geruch von Grillgut, der einen noch vor dem Lächeln der Inhaber begrüßt.  

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Ich parke mein Motorrad unter einem großen Maulbeerbaum und setze mich in den Schatten. Heute gibt es handgemachte Gnocchi, zubereitet mit aus der Region stammendem, steingemahlenem Mehl, serviert mit geschmolzener Butter und Salbei aus dem Hinterhof. Ein Gericht, das nach Heimat schmeckt und Kindheitserinnerungen weckt. Außerdem serviert man mir grob geschnittene Salami und Sopressa, Frischkäse mit etwas Öl, am Morgen im Wald gesammelte Pilze, Holzofenbrot und ein Glas Prosecco, der wie die Oktoberluft prickelt. 

Der Inhaber ist selbst begeisterter Motorradfahrer, mit einer Leidenschaft für Offroad-Reifen und in Vergessenheit geratene Straßen. Wir sprechen über Aufhängungen, alte Rallye-Motorräder, unternommene Reisen und Träume, die wir noch  verwirklichen möchten. Aber am Ende führen unsere Gespräche immer zu einem Thema zurück: den Montello, die Menschen, die dort leben, die Wege, die nur diejenigen finden können, die diesen Ort wirklich lieben. Es ist eine einfache, aber intensive Pause. Ein Innehalten, das uns mit dem Tag versöhnt und uns lehrt, die kleinen Dinge wertzuschätzen – von Hand und mit viel Liebe gemacht. 

 

Die letzten Kilometer auf unbekannten Prese 

Am Nachmittag mache ich mich auf den Weg nach Westen, in eine noch wildere Gegend des Montello. Hier finde ich wenig befahrene Wege, ideal für ein bisschen entspanntes Enduro, ohne mit dem Tempo zu übertreiben. Der Untergrund verändert sich: Es wird sandiger, unebener und vom Regen zerfurcht. 

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Ich parke das Motorrad unweit der Überreste der Abtei von Sant'Eustachio, ein Ort zwischen den Zeiten, an dem die Steine Geschichten von Mönchen, Pilgern und Soldaten erzählen. Ich gehe schweigend mit dem Helm in der Hand durch die Ruinen und versuche mir vorzustellen, wie dieser Ort  vor einigen Jahrhunderten wohl aussah und was er in den dunkelsten Tagen des ersten Weltkriegs gesehen hat.  

Am Ende kehre ich nach Nervesa zurück. Das Motorrad ist voller Staub, aber mein Kopf ist frei. Der Montello ist nicht so episch wie die Dolomiten, er bietet nicht die Panoramen der Apenninen, aber er bietet etwas, das bleibt. Es ist der perfekte Ort für alle, die gerne ohne Eile fahren, sich die Reifen auf leichten Schotterstraßen schmutzig machen und Geschichte atmen möchten. Es ist ein Ort, der zu einem spricht. Man muss nur bereit sein, zuzuhören. 

  

Empfohlene Stopps für eine Motorradtour auf dem Montello  


  • Kriegerdenkmal 
  • Bergrücken des Montello 
  • Grotta del Tavaran Grando 
  • Sentiero dei Bunker 
  • Abtei Sant'Eustacchio